Out to see

Out to see ist ein Film über John Ioannidis, den weltweit meistzitierten medizinischen Forscher, der – so schreibt sein Freund und Kollege Peter C. Gotzsche – „einer der schlimmsten Hexenjagden in der neuen Medizingeschichte zum Opfer“ gefallen ist. [1]

Ioannidis‘ „Sünde“ war, dass er früh zu bedenken gab, Corona sei möglicherweise nicht das Killervirus, zu dem es bereits erklärt worden war. Er verwies vollkommen zu Recht auf die miserable Datenlage und warnte, dass die drastischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus schlimmer sein könnten als das Virus selbst. Unter normalen Umständen wäre das nichts Besonderes gewesen, denn dergleichen ist mit gesundem Menschenverstand ohne weiteres nachvollziehbar. Die Umstände waren aber nicht normal. Stattdessen wurden Dauerpanik und brachiale Betriebsamkeit zur neuen Normalität.

Da Ioannidis bis zu diesem Zeitpunkt als der weltweit führende Epidemiologe galt, schoss man sich ebenso rasch wie heftig auf ihn ein. Bringt man den König zu Fall – so schien das Kalkül zu sein – so fallen mit ihm auch alle Großfürsten aus dem Reich der Widerspenstigen, zum Beispiel die Initiatoren der Great Barrington Declaration. Jeder noch so dümmliche Faktenchecker mit abgebrochenem Filmwissenschaftsstudium wusste es plötzlich besser und bekam Gelegenheit, kübelweise Geifer über Ioannidis auszukippen. War dessen Ruf erst einmal durch Media und Social Media ruiniert, konnten Verantwortliche wie Karl Lauterbach sich genüsslich zurücklehnen und behaupten, Ioannidis sei „extrem umstritten“, daher würde nicht zählen, was er sage. So einfach ist das, und es funktioniert leider bis heute.

Der Film ist allerdings keine „Opferstory“, sondern ein bebildertes Interview, in welchem sich Ioannidis so äußert, wie er es immer tut: sehr freundlich, sehr diplomatisch, sehr sachlich. Keineswegs plaudert er aus dem seelischen Nähkästchen, gibt wenig von seinen Gefühlen preis. Doch genau das macht ihn so sympathisch. Er scheint ein taktvoller, uneitler Mensch zu sein, der andere nicht über Gebühr mit seinen Befindlichkeiten behelligen mag.

Daher muss man schon genau hinhören. Denn das Schlimme, das ihm widerfahren ist, erwähnt er fast en passant – so zum Beispiel Todesdrohungen oder dass seine Mutter aufgrund des Stresses infolge der Rufmordkampagne beinahe gestorben wäre. Ioannids sagt ziemlich zu Beginn des Films, dass er auf diese heftigen Kampagnen nicht im mindesten vorbereitet war. Sie müssen ihn wie ein Schlag getroffen haben.

Ein weiteres Opfer von Rufmord ist der Chemie-Nobelpreisträger Michael Levitt. Ähnlich wie Ioannidis hatte er im Frühjahr 2020 aus den Daten des in Quarantäne liegenden Kreuzfahrtschiffes Princess Diamond geschlossen, dass SARS-CoV-2 kein Killervirus sein konnte. Hier ist Levitts Youtube-Kommentar zum Film :

Obwohl also wenig Gefühliges im Film vorkommt, zeigt er doch, was für ein liebenswerter Mensch Ioannidis offenbar ist. Diesen Eindruck hatte ich allerdings schon durch seine vorigen Video-Interviews gewonnen, von denen sich das Interview im Film nicht wesentlich unterscheidet.

Was seine inhaltlichen Positionen betrifft, muss man auch hier sehen, dass er sich stets sehr abwägend und vielschichtig ausdrückt. Wichtige Dinge werden bei ihm oft im Nebensatz oder ohne besondere Betonung ausgesprochen. Ich bin der Meinung, dass er ein zu positives Bild der Wissenschaft hat. Dass sie dadurch gekennzeichnet sei, Fehler und Irrtümer in den Dienst des Wissensfortschritts zu stellen, halte ich schlicht für einen Mythos.

Gar nicht nachvollziehen kann ich seine Position zur Covid-„Impfung“. Er vermag anhand der Daten nicht zu erkennen, dass diese „Impfungen“ ein verheerendes Nebenwirkungsprofil haben. Mir hingegen ist nicht klar, wie man das übersehen kann. Da Ioannidis sich aber grundsätzlich gegen jeden Zwang und Druck ausspricht, könnte man dies offen mit ihm diskutieren. Einen kompetenteren und zugleich faireren Gesprächspartner wird man meinem Eindruck nach kaum finden.

Ich würde zum Beispiel gerne mit ihm über seine Behauptung diskutieren, die Anzahl von Nebenwirkungs-Meldungen sei im Falle der Covid-Impfung durch öffentliche Aufmerksamkeit (netto) nach oben verzerrt. Diese Behauptung bestreite ich – wie ich meine – mit guten Argumenten (siehe mein imaginärer Brief an den Gesundheitsminister, etwa in der Mitte des Textes).

Fazit: Der Film ist sehenswert. Wer allerdings auf ein Porträt der Marke „Ioannidis privat“ hofft, wird sicher enttäuscht sein. Für mich ist das filmische Drumherum entbehrlich – die Szenen mit Kindern, Jugendlichen und ähnliches. Knuffig finde ich die Szenen, in denen Ioannidis durch Berlin stapft oder es sich in Griechenland gut gehen lässt.

Mir hätte auch eine einzige Kameraeinstellung und ein pures Interview gereicht. Aber das wäre wohl zu puristisch gewesen.

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[1] Vgl. Peter C. Gotzsche, Impfen – Für und Wider, 2. Aufl., München 2021, S. 192.

Brief an den Gesundheitsminister

Das Folgende ist ein imaginärer Brief an den amtierenden Gesundheitsminister. Der Brief ist eine Reaktion auf ein „persönliches Schreiben“ Lauterbachs an meine kürzlich verstorbene Mutter, welches eine Impfempfehlung enthält.

Sehr geehrter Professor Lauterbach,

am 13. Oktober habe ich ein Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit in Empfang genommen, in welchem Sie meine Mutter persönlich ansprechen (siehe Fotos unten). Sie vermuten, dass meine Mutter sich bereits gegen SARS-CoV-2 hat impfen lassen; vielleicht, so schreiben Sie, „auch schon mit der sogenannten Auffrischungsimpfung“, dem „Booster“. Nun empfehlen Sie eine weitere Impfung, diesmal gegen die Omikron-Variante, sowie eine Grippe- und eine Pneumokokkenimpfung.

Meine Mutter ist am 24. September im Alter von 84 Jahren ihrem schweren Krebsleiden erlegen. Sie war weder gegen SARS-CoV-2 geimpft noch jemals an Covid erkrankt und daher auch nie davon genesen. Wenn es indes nach Ihrer Voraussage vom Oktober 2021 gegangen wäre, hätte meine Mutter mit hoher Wahrscheinlichkeit spätestens im März 2022 verstorben sein müssen. Dasselbe gilt für mich, denn auch ich habe mir aus guten Gründen (siehe unten) niemals diese Substanzen injizieren lassen, war nie an Covid erkrankt und kam daher nie in den Genuss, offiziell als Genesener zu gelten. Seit über drei Jahren hatten meine Mutter und ich keine Erkältung mehr, nicht einmal einen kleinen Schnupfen.

Ich schreibe Ihnen also als „untoter“, aber kerngesunder Sohn einer nicht rechtzeitig verstorbenen Mutter, die zu keinem Zeitpunkt Probleme mit SARS-CoV-2 hatte, obwohl sie zur vulnerablen Gruppe gehörte und ihre Lungen mit Metastasen voll waren. Meine Mutter würde sich gewiss darüber amüsieren, dass ein besessener Gesundheitsminister sie quasi mit der Spritze in der Hand noch bis ins Reich der Toten verfolgt. Doch von dort dreht sie Ihnen nun eine lange Nase und ruft: „Du kommst hier nicht rein!“ Jedenfalls noch nicht.

Ihre Voraussage vom Oktober wirkte auf uns wie eine manifeste Todesdrohung – als ob der Tod allen „Unvernünftigen“ und „Unsolidarischen“ recht geschehe. Es leuchtet Ihnen vielleicht ein, dass unser Vertrauen in Sie schon aufgrund der genannten Horrorprognose nicht besonders ausgeprägt war. Natürlich können Sie immer behaupten, es liege nur an den wirksamen Maßnahmen oder an purem Glück, dass wir und Millionen Ungeimpfter nicht bereits im März gestorben sind. Wahrscheinlichkeitsaussagen sind ohnehin nicht widerlegbar. Wenn Sie sich selbst mit diesem rhetorischen Trick täuschen, muss man jedoch an Ihrer Denkfähigkeit zweifeln. Denn selbstverständlich kann ich dagegen immer behaupten, dass ohne Maßnahmen „wahrscheinlich“ noch weniger Menschen gestorben wären (siehe dazu diesen Aufsatz der Medizinstatistiker Lars Hemkens und Gerd Antes).

Beide Behauptungen sind empirisch äquivalent. Das Ergebnis, dass meine Mutter und ich im März noch gelebt haben und es bis heute Abermillionen „überlebender“ Ungeimpfter sowie Personen ohne Genesenenstatus gibt, ist mit beiden Aussagen auf identischer Datenbasis vereinbar. Es stände für Sie also im Bestfall 1:1. Der Schluss aber, dass 1. Corona nicht ein solches Killervirus ist, wie Sie behaupten, und 2. die Impfungen nicht so wirksam sind, wie Sie es propagieren, liegt mindestens gleich nahe. Dafür spricht auch, dass die Kliniken insgesamt laut offiziellen Zahlen zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise überlastet waren.

Das Sterbealter meiner Mutter entspricht ungefähr dem Medianalter der an und mit Covid Verstorbenen. Allein dieser Wert ist ein starker Hinweis darauf, dass SARS-CoV-2 kein derart gravierendes Risiko für die Gesamtbevölkerung darstellt, dass außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen werden müssten. Das Leben meiner Mutter war durch Corona offenbar genauso viel oder wenig bedroht wie durch viele tausend andere Faktoren auch, die zum allgemeinen Lebensrisiko gehören. 

Hätte meine Mutter nun ein positives PCR-Testergebnis gehabt, wäre sie statistisch den „Covid-Toten“ zugeschlagen worden, die laut Robert Koch-Institut ohne dieses Ergebnis im Schnitt noch zehn Jahre länger gelebt hätten. Wie Sie wissen, abstrahiert das Robert Koch-Institut hier allerdings von allen Vorerkrankungen. Ohne Krebs wäre meine Mutter gewiss älter geworden, wahrscheinlich sogar zehn Jahre oder mehr. Um so etwas vorauszusagen, braucht man kein Robert Koch-Institut. 

Ein positiver PCR-Test hätte selbst mitsamt Erkältungssymptomen das Leben meiner Mutter nicht nennenswert verkürzen können, hat sie doch noch im Winter 2017/18 eine schwere, sehr langwierige Grippe unbeschadet überstanden. Hätte sie im Sterben liegend eine Lungenentzündung bekommen, wäre das eher ein Segen gewesen. Ich habe zwanzig Monate Zivildienst im Krankenhaus gemacht und viele Sterbende gepflegt. Die Lungenentzündung war meist ihr geringstes Problem, wurde oft sogar willkommen geheißen. Interessant wäre die Gegenrechnung, wie viele Lebensjahre Patienten mit der Diagnose „Covid“ zum Beispiel durch frühzeitige Intubation und andere Überbehandlungen verloren haben. Doch da herrscht bei Ihnen Schweigen im Walde.

Einen Wirkstoff, der bis heute nur eine bedingte Zulassung hat, als nebenwirkungsfrei zu bezeichnen, wie Sie es getan haben, widerspricht sowohl der Logik des Zulassungsverfahrens als auch allen Erfahrungen mit Arzneimitteln. Sogar die Daten des Paul-Ehrlich-Instituts zeigen, dass Ihre Behauptung nicht stimmen kann. Eine aktuelle Hochqualitäts-Studie von Peter Doshi et al. bestätigt dies ebenfalls anhand offizieller Daten. Dass nun diese Studie vom BR-„Faktenfuchs“ unter anderem mit dem Hinweis abqualifiziert wird, die Daten seien schlecht, ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Denn mit Rekurs auf genau diese schlechten Daten wurden die Impfstoffe genehmigt und für hochwirksam erklärt. Sie selbst hatten anlässlich des Desasters rund um den Blutfett-Senker Lipobay im Jahr 2001 bemängelt, „dass bei der Einführung von neuen Medikamenten Langzeitstudien fehlten, mit denen sich der Nutzen, aber auch das Nebenwirkungsrisiko ermitteln ließen.“ Korrigieren Sie mich — aber hatten Sie Lipobay nicht zuvor empfohlen?

Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung waren im Jahr 2021 2,5 Millionen Patienten mit unerwünschten Wirkungen der Covid-Impfung beim Arzt. Die Versuche der KBV, diese Zahlen zu relativieren, sind zum Scheitern verurteilt:

Expertinnen und Experten haben immer wieder betont, dass die hohe öffentliche Aufmerksamkeit während der Pandemie auch zu mehr Meldungen möglicher Impfreaktionen und -nebenwirkungen führt.

So kann man als Befürworter der Impfungen nicht argumentieren, ohne sich ins Aus zu katapultieren. Denn auf identische Weise kann man alle Covid- und Long-Covid-Schäden relativieren. Beides ist logisch äquivalent. Man könnte also ohne Weiteres sagen: Durch die öffentliche Aufmerksamkeit schreiben Bürger und medizinisches Personal mehr Beschwerden Covid und Long Covid zu, als wenn es keine öffentliche Aufmerksamkeit gäbe (von finanziellen Fehlanreizen einmal ganz abgesehen). Wie die bizarre Performance der von Ihnen als Long-Covid-Opfer präsentierten Frau Stokowski zeigt, kommt diese Dame infolge öffentlicher Aufmerksamkeit nicht einmal auf die Idee, dass ihre Symptome auch auf die Impfung zurückzuführen sein könnten. Und das, obwohl diese Symptome angeblich erst nach dem „Booster“ auftraten.

Wenn im Fall der Impfnebenwirkungen mit dem Hinweis auf öffentliche Aufmerksamkeit gesagt werden soll, dass die Impfung insgesamt kein relevantes Gesundheitsrisiko darstellt, kann man mit gleicher Berechtigung dasselbe auch über Covid sagen. Dann wiederum entfiele jegliche Begründung für strenge Maßnahmen sowie für die Impfungen selbst.

Hinzu kommt, dass in den Leitmedien wenig über unerwünschte Impfwirkungen berichtet wird, während Covid dort dauerpräsent ist. Die öffentliche Aufmerksamkeit richtet sich also weit mehr auf Covid. Würde jeden Tag statt über Covid in reißerischer Manier über unerwünschte Wirkungen der Impfungen berichtet, gäbe es womöglich 25 statt 2,5 Millionen Patienten, die beim Arzt gegen Impfnebenwirkungen behandelt würden. Frau Stokowski hätte dann sicher keinerlei kognitives Problem, ihre Symptome auf die Impfung zurückzuführen.

In Wirklichkeit gibt es im Falle von Covid ein starkes gesellschaftliches Tabu, Impfschäden zu benennen. Ärzte haben keinen Anreiz, diese zu melden, sondern schon aufgrund des bürokratischen Aufwands nur Anreize, solche Meldungen zu unterlassen. Wer einen Impfschaden bekommt, gilt schnell als „Covidiot“ und wird geächtet. Hat man hingegen „Long Covid“, wird man geachtet und erhält viel narzisstische Zufuhr. Ich vermute, dass die Aussicht auf letztere Frau Stokowski dazu motiviert hat, sich für Ihre Kampagne zur Verfügung zu stellen.

Long Covid ging schon viral, als es noch viel zu früh war, um Langzeitfolgen feststellen zu können. Der Rest kann wohl zum großen Teil als Selfullfilling Prophecy verbucht werden. Das ist wie mit den Menschen, die Sport treiben und sich als unsportlich empfinden. Im Gegensatz zu Personen, die sich für sportlich halten, erleben sie jede Trainingseinheit als anstrengend und nehmen sie als Bestätigung ihrer Unsportlichkeit. Der Trainingserfolg fällt dementsprechend geringer aus. Wenn jemand sich als Opfer von Covid empfindet, wird er wahrscheinlich schlechter genesen, als wenn er meint, an einem normalen grippalen Infekt erkrankt zu sein. Long Covid bei Kindern ist ein noch größeres Phantasma und taugt vor allem als Rechtfertigung für Eltern mit Münchhausen-Syndrom, ihre eigenen Kinder durch Masken und Off-Label-„Impfungen“ krank zu machen. Wie sich gezeigt hat, scheint dieses Syndrom weit verbreitet zu sein.

Die Behauptung, Meldungen von unerwünschten Wirkungen der Covid-Impfung seien aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit nach oben verzerrt, entbehrt jeder Grundlage. Ganz sicher nach oben verzerrt sind Meldungen schwerer Langzeitfolgen infolge von Covid. Ich bin sogar der Ansicht, dass „Long Covid“ nichts anderes ist als ein zur Diagnose gehypter Bias.

Kurz und gut: Entweder, Sie nehmen alle Nebenwirkungsmeldungen genauso ernst wie alle Covid-Diagnosen – oder eben beide nicht. Das Resultat ist in jedem Fall, dass Massenimpfungen gegen Covid nicht rational begründet werden können. Wird beides nicht ernst genommen, entfällt die Begründung ohnehin; wird beides gleich ernst genommen, sind die unerwünschten Wirkungen so zahlreich und schwerwiegend, dass die Impfstoffe vom Markt genommen werden müssen.

Alles in allem sind Ihre Einlassungen derart ungereimt, dass schon allein deshalb kein Vertrauen in Sie entstehen kann. Ich könnte viele weitere Äußerungen von Ihnen zum Thema Corona zitieren, die bei mir den Eindruck Ihrer starken Übermotivation hinterlassen, welche dem Ziel, die Gesundheit der Gesamtbevölkerung zu erhalten und zu verbessern, im Wege steht. Von erwähnter Übermotivation ist nun auch Ihr Schreiben geprägt, denn es enthält – höflich ausgedrückt – eine Reihe gewagter Behauptungen, die strenger wissenschaftlicher Überprüfung nicht standhalten und überdies der Plausibilität entbehren. 

Was letztere betrifft: In meiner Abhandlung Auf verlorenem Posten habe ich begründet, warum jegliches Befürworten von Anticoronamaßnahmen argumentativ aussichtslos ist, sofern Anspruch auf Rationalität und Wissenschaftlichkeit erhoben wird (mit Bezug auf die Impfungen siehe besonders S. 41–44). Diesen Anspruch erheben Sie ostentativ immer wieder, können ihn aber nicht einlösen. Ihre Impfempfehlung ist schon allein aus diesem Grund haltlos.

Es heißt von Ihnen, dass Sie viele Studien lesen. Lesen und verstehen sind aber zweierlei. Ich habe ebenfalls unter anderem die Zulassungsstudien der Impfstoff-Hersteller BioNtech/Pfizer, Moderna, Astra Zeneca gelesen und muss Sie ernsthaft fragen, wie Sie von den Resultaten dieser Studien zu Ihren Impfempfehlungen kommen. Schon am 18. November 2020 stießen Sie mit dem Pianisten Igor Levit auf den „Durchbruch der Impfstoffe von Biontech und Moderna“ an. Anlass waren Erfolgsmeldungen der Hersteller über das Erreichen „aller primären Endpunkte“.

Solche Meldungen gehören aber zur Werbung und zum Marketing der Hersteller. Ein Gesundheitsminister sollte sie mit Vorsicht genießen, statt sie mit einem Glas Wein zu begießen. Wie jeder sehen konnte, bestanden diese „primären Endpunkte“ aus bloßen surrogate endpoints, die für eine Risikobewertung der geprüften Substanzen nebensächlich waren. Der Fremdschutz wurde ohnehin nie geprüft. Dies wurde jüngst bei einer Anhörung vor dem EU-Parlament von der Pfizer-Managerin Janine Small ausdrücklich bestätigt.

Selbst die Relative Wirksamkeit von etwa 95 Prozent – ein reiner Marketing-Parameter – musste mit einem großen Fragezeichen versehen werden, wie Peter Doshi, ehemaliger Mitherausgeber des British Medical Journal, bereits im November 2020 kritisierte. Doshi legte auch dar, warum das Studiendesign gar nicht dazu geeignet war zu zeigen, dass die Impfstoffe Leben retten. Aufgrund der geringen Fallzahl konnte zudem keine valide Aussage über „schwere Verläufe“ getroffen werden.

Wie in der Follow-Up-Studie zu sehen (Tabelle 4), zeigte sich beim einzig harten Parameter – der Gesamtsterblichkeit unter Absehung aller Todesursachen – schon rasch kein Vorteil, sondern ein Nachteil in der Interventionsgruppe. Führende Experten warnten unter anderem wegen der methodischen Mängel solcher Studien vor einer Impfpflicht. Von der nachgewiesenen Manipulation bei Pfizer ganz zu schweigen. 

Ihre Aussage, viele Menschen würden der Impfung ihr Leben verdanken, ist daher höchst irreführend. Es ist zwar theoretisch möglich, dass manche Einzelpersonen der Impfung tatsächlich ihr Leben verdanken. Niemand kann das Gegenteil beweisen. Doch für Sie als Gesundheitsminister muss ausschlaggebend sein, ob die Impfung insgesamt mehr nützt oder schadet. Wenn in der Interventionsgruppe mehr Menschen sterben als in der Kontrollgruppe, kann man mit Ihrer Logik behaupten, dass sie mehr Menschen das Leben kostet, als sie Menschen vor dem Tod bewahrt. Dies wiederum ist gewiss nicht der Zweck einer Impfung. Korreliert die Impfquote positiv mit erhöhter Gesamtsterblichkeit, taugt die Impfung offenbar nicht viel oder gar nichts:

Quelle: Destatis

Die Übersterblichkeit pro Woche ist in Deutschland seit Beginn der Impfkampagne deutlich höher als vorher (um 61 Prozent erhöht).

Die Herstellerstudien waren nicht nur irreführend konzipiert, sondern auch unzureichend verblindet und damit wertlos, denn unzureichende Verblindung verzerrt das Ergebnis um durchschnittlich 68 Prozent in Richtung des gewünschten Ergebnisses. Dass Pfizer die Kontrollgruppe de facto aufgelöst hat, dürfte Ihnen überdies nicht entgangen sein. Zitat Peter Doshi:

Nach durchschnittlich nur zwei Monaten Beobachtungszeit nach der zweiten Dosis wurde für beide Impfstoffe die Eilzulassung beantragt und gleichzeitig die Studien entblindet, das heißt: Den Teilnehmern der Placebogruppen wurde angeboten, sich impfen zu lassen. Sechs Monate nach Studienbeginn waren dann nur noch sieben Prozent der Studienteilnehmer verblindet. Damit wurden die Impfstoff- und Placebogruppen immer weniger vergleichbar.

Das ganze Verfahren war also eine Farce und ist es bis heute.

Nach all dem, was sich bereits vor fast zwei Jahren deutlich abzeichnete, ist es ziemlich eigenartig, dass Sie in dem Schreiben an meine Mutter behaupten: „Eines der wirkungsvollsten Mittel gegen SARS-CoV-2 bleibt die Impfung“. Vom Fremdschutz reden Sie klugerweise nicht, stattdessen von „schweren Verläufen“ und von „unterbrochenen Infektionsketten“. Eine solide empirische Grundlage haben diese Behauptungen nicht. 

War die Impfempfehlung für die vorigen Varianten schon ohne stichhaltige Begründung, so ist sie gegen die Omikron-Variante geradezu grotesk. Beispielsweise hat die Omikron-Variante laut einer Studie, die in Kalifornien durchgeführt wurde, nur eine Fallsterblichkeit (Case Fatalty Rate) von 0,007 Prozent, was wesentlich geringer ist als bei einer leichten Grippe. Warum sollte sich irgend jemand mit einer Substanz dagegen schützen, die überhaupt noch nicht am Menschen getestet worden ist? 

Das führt mich zu Ihren Empfehlungen der Influenza-Impfung. Die geringe Wirkung der Covid-Impfstoffe war nämlich von vornherein wahrscheinlich, da Impfungen gegen respiratorische Viren generell kaum Aussicht auf medizinischen Erfolg haben. Influenzaviren mutieren noch häufiger und wirkungsvoller, weil sie ganze Segmente vertauschen können. Die Impfung gegen Influenza hat jedoch keinerlei signifikanten Nutzen. Man muss 71 Personen impfen, um eine Person vor einer Ansteckung zu schützen. Es gibt keinen Effekt auf Krankenhauseinweisungen, Krankschreibungen und Todeszahlen.

Das sind die Ergebnisse eines Cochrane Reviews, welches 52 Studien einbezieht. Dieses Review hat eine weit höhere Evidenz als alle Studien, die von den Produzenten der Covid-Impfstoffe veröffentlicht worden sind. Erkennen Sie letztere an, müssen Sie die Resultate des Reviews erst recht anerkennen, sofern Sie nicht offen mit zweierlei Maß messen wollen.

Man sollte nun meinen, dass die Impfung gegen das weniger wandelbare Coronavirus besser ist. Trotzdem müssen laut Herstellerstudien bei Moderna 76, bei Astra Zeneca 78, bei Gamaleya 80, bei Johnson & Johnson 84 und bei BioNtech/Pfizer 117 Personen geimpft werden, um eine einzige Infektion zu verhindern. Und als „Infektion“ gilt bloß ein positiver PCR-Test plus ein bis zwei Symptomen, die auch typisch für eine große Anzahl anderer respiratorischer Viren sind, auf die aber wiederum nicht getestet wurde. 

Dass die STIKO angesichts solcher Unsicherheiten Substanzen empfiehlt, die keine oder nur geringe Wirkung haben, eindeutig kontraindiziert und zum Teil nicht einmal am Menschen getestet sind, zeigt wohl vor allem, dass sie keineswegs – wie Sie behaupten – unabhängig ist, sondern offenkundig unter starkem politischem Druck steht. 

Ich kann nur darüber spekulieren, was Sie persönlich antreibt. Alles was Sie tun, ist im Hinblick auf den Zweck, die Gesundheit der Gesamtbevölkerung zu erhalten, zweifelhaft bis kontraproduktiv. Eine nachweisbar positive Wirkung hat Ihr Tun immer nur im Hinblick auf den Profit bestimmter Unternehmen der Gesundheitsbranche, zum Beispiel Pfizer. Allein BioNtech konnte im Jahr 2021 zehn Milliarden Gewinn machen. Mit den geringen Standards, mit denen Sie die positive Wirkung der Covid-Impfstoffe als erwiesen betrachten, könnte man auch Ihre persönliche Motivation, im alleinigen Interesse jener Unternehmen zu agieren, als erwiesen betrachten.

Dieses Interesse ist mit dem Interesse der Bevölkerung, gesund zu bleiben, nicht deckungsgleich. Denn große Pharmafirmen können sich – den Gesetzen der Ökonomie folgend – eine weitgehend gesunde Bevölkerung gar nicht leisten, die kaum medizinische Behandlungen in Anspruch nimmt. Sie investieren sehr viel, und das muss sich auf Dauer rechnen. Ohne die Covid-Impfkampagne wäre zum Beispiel die mRNA-Technologie wahrscheinlich auf Eis gelegt worden. Firmen wie Moderna hatten damit zuvor nur Verluste eingefahren.

Das an sich legitime Gewinninteresse muss also im Gesundheitsbereich politisch eingeschränkt werden, damit es zum Wohle aller wirken kann. Zumindest sollten sich ein Gesundheitsminister, eine Regierung, eine EU-Kommision jenes private Profit-Interesse nicht hundertprozentig zu eigen machen. Ich kann aber bei den Genannten keinlerlei Distanz erkennen, sondern eher das Bestreben, alle „lästigen“ gesetzlichen Hürden zu umgehen oder gar zu beseitigen.

„Wer den Zweck will, muss auch die Mittel wollen“, sagt Immanuel Kant. Die von Ihnen verwendeten Mittel sind rational nur im Hinblick auf den erwähnten Zweck der Gewinnmaximierung. Als eines dieser Mittel interpretiere ich auch Ihr Schreiben an meine verstorbene Mutter. Es fügt sich nahtlos in die Reihe manipulativer, unlauterer Praktiken ein, mit denen die Menschen seit 2020 zur Covid-Impfung überredet und gezwungen werden sollen. Personen, die auf ihrem Recht bestehen, über ihren Körper selbst zu bestimmen, sind bis heute aggressiver, politisch gewollter und medial befeuerter Diskriminierung ausgesetzt.

Dies hat meiner Mutter schwer zu schaffen gemacht, da sie selbst davon betroffen war. Am Ende ihres Lebens musste sie sich wie ein Mensch zweiter Klasse behandeln lassen – brutal, rücksichtlos, unmenschlich. Sie hat im Streit um Corona auch noch Freunde verloren. Freunde sind für alte, kranke und immobile Menschen besonders kostbar, ihr Verlust ist umso schmerzlicher.

Ich mache Sie persönlich für diesen Verlust verantwortlich, da Sie es bis heute nicht unterlassen können, mit Hilfe geballter Medienmacht Öl ins Feuer zu gießen. Ein verantwortungsvoller Politiker würde das Gegenteil tun, würde beruhigend auf die Bevölkerung einwirken, anstatt sie mit immer neuen Horrorszenarien in Panik zu versetzen und sie damit gegeneinander aufzuhetzen.

Meine Mutter hatte ihren Verstand beisammen, ließ sich weder einschüchtern noch manipulieren und hielt bis zuletzt dem Druck stand. Ich bin stolz auf sie. Auch wenn Ihr Ministerium nicht wissen konnte, dass meine Mutter verstorben ist, mutet Ihr Schreiben wie ein makabrer Scherz an. Ich möchte daher mit meiner ersten spontanen Reaktion darauf schließen – einem abgewandelten Satz aus der Kultserie Breaking Bad:

„Shut the fuck up and let her rest in peace!“
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